Art Basel Report 2024

Nach spannenden Tagen auf der diesjährigen Art Basel in Basel, wird es Zeit unseren Art Basel Report 2024 mit Ihnen zu teilen.
In unserem Report gehen wir der Frage nach, welche Trends in den verschiedenen Kunstrichtungen zu finden waren; welche jungen Künstler*innen sich auf der Messe etabliert und welche Künstler*innen wir auf der Messe vermisst haben. Wir benennen präsente Stilrichtungen und Strömungen, die sich auf dem aktuellen Kunstmarkt herauskristallisiert haben und fanden ein paar Wiederentdeckungen, die uns selbst überraschten.

I. Abstract Expressionism I Light & Space
II. Verjüngungskur I Weibliche Kunst
III. When the Hype is over - NFT´s & Video Art
IV. African Art etabliert sich


In unserem nächsten Update:
Cyberkriminalität erschüttert Kunstwelt / #MeToo im Kunstgeschehen / Wieviele Messen braucht es?

Morris Louis (1912-1962 I USA I Color Field Painting)

I. Abstract Expressionism I Light & Space

Nachdem im letzten Jahr ein Gemälde von Mark Rothko als Highlight der Abstrakten Kunst auf der Messe zu sehen war, hatten wir in diesem Jahr das große Glück, gleich drei phänomenale Gemälde des US-Künstlers Morris Louis (1912-1962) zu sehen. In den letzten Jahren hat die Nachfrage nach abstrakten Gemälden dieser Strömung, die sich in den 50er/60er Jahren in Amerika etablierte, stark zugenommen. Etablierte Größen der Szene werden zunehmen mit großen Ausstellungen gewürdigt (Bspw. "Die Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945." Museum Barberini, 2022 / '"Helen Frankenthaler: Malerische Konstellationen." Museum Folkwang, 2022/23) und in Folge dessen vom Kunstmarkt "wiederentdeckt".
Fokussierte sich der Kund*innenkreis für diese Werke früher vornehmlich auf den US-Markt, finden die Gemälde der abstrakten Expressionisten immer mehr Bedeutung in den europäischen Privatsammlungen. Der Würdigung dieser Kunstströmung sehen wir sehr entgegen, da auch unser Künstler John Millei Teil dieser Gruppe ist und bereits in großen Ausstellungen mit Werken von Helen Frankenthaler (1928-2011) und Williem de Kooning (1904-1997) zu sehen war.

Morris Louis (1912-1962 I USA I Color Field Painting)

Eine weitere Strömung, die ebenfalls in den 60er Jahren in den USA entstand, ist die Light&Space-Bewegung, die wir zunehmend im zeitgenössischen Gewand auf der Messe entdeckten. Bekannte Vertreterinnen dieser aktuellen Strömung sind u.a. Berta Fischer (*1973) und Sylvie Fleury (*1969), die ebenfalls mehrfach auf der Messe vertreten waren und deren Wandobjekte unweigerlich an Künstler*innen wie Gisela Colon (*1966) oder Lerry Bell (*1939) erinnern lassen.  
Aufmerksame Sammler*innen unserer Galerie werden sich hier an die Objekte unseres Künstler Johannes Holt Iversen oder der Künstlerin Sali Muller erinnert fühlen, die ebenfalls Ihre Wurzeln in der Neuinterpretation und Weiterentwicklung dieser künstlerischen Strömung haben. Bemerkenswert war für uns die Tatsache, dass neben dem klassischen Ölgemälde, welches nach wie vor den Großteil der ausgestellten Kunstwerke ausmachte, vorrangig Wandobjekte zu sehen waren. Klassische Skulpturen, wie die sonst so beliebten Werke von Toni Gragg (*1949) beispielsweise, waren nur vereinzelt zu finden.

II. Verjüngungskur I Weibliche Kunst

Die Stimmen, die der Art Basel ihre Zeitgemäßheit absprachen, wurden in den vergangenen Jahren immer lauter. Die US-Messe Frieze etablierte sich als zeitgenössischer Konkurrent und reizte mit ihrem verjüngten Messekonzept vor allem jüngere Sammler*innen. Nach dem Wechsel der Führungsetage der Art Basel scheint nun auch hier ein frischerer Wind zu wehen. Wir sahen auf der Messe so viele junge Positionen, wie nie zuvor, was auch daran liegt, dass neben den bekannten etablierten Galerie, in diesem Jahr 22 neue Galerien zugelassen wurden. In Folge dessen bot sich eine breite Vielfalt von Superstars wie Alberto Giacometti (1901-1966) oder George Condo (*1957) bis hin zu Newcomern wie Chou Yu-Cheng (*1976) oder Rayan Yasemineh (*1996).
Ein weiterer Faktor, der das neue Erscheinungsbild der Messe signifikant geprägt hat, ist der hohe Anteil an weiblicher Kunst. Was mit einer femininen Betrachtung der Kunsthistorie begann, spiegelt sich heute wesentlich im Gesamtkonzept der Messe wider. Weibliche Kunst ist nicht nur ein Trend in Folge eines gesellschaftlichen Diskurses geblieben - sie hat sich zu einer festen Größe im Kunstmarkt etabliert.

Chou Yu-Cheng (1976 I Taiwan I Ultra Contemporary Painting)

Rayan Yasemineh (1996 I France I Ultra Contemporary Painting)

Die erhöhte Präsenz von weiblicher Kunst auf internationalen Plattformen wie der Art Basel verändert die Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Arbeit. Wenn Werke von Künstlerinnen regelmäßig ausgestellt und positiv rezipiert werden, trägt dies dazu bei, die Bedeutung weiblicher Perspektiven in der Kunstwelt zu unterstreichen. Diese Anerkennung wird zunehmend in Kunstkritiken, Veröffentlichungen und akademischen Diskussionen reflektiert, was langfristig die Position weiblicher Künstlerinnen in der Kunstgeschichte stärkt.
Zudem zeigen die steigende Nachfrage nach Kunst von Frauen und die höheren Preise, die ihre Werke erzielen, dass weibliche Künstlerinnen auch wirtschaftlich anerkannt werden. Dies ist ein wichtiger Faktor für ihre langfristige Bedeutung, da der Kunstmarkt eine entscheidende Rolle bei der Förderung und Etablierung von Künstler*innen spielt. Die wirtschaftliche Anerkennung trägt zur finanziellen Unabhängigkeit und Stabilität von Künstlerinnen bei, was ihnen erlaubt, ihre Karriere langfristig zu planen und zu entwickeln.
Darüber hinaus hat die Anerkennung und Förderung weiblicher Kunst das Potenzial, über die Kunstwelt hinaus kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. Sie trägt dazu bei, Geschlechterstereotype zu hinterfragen und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Kunst, die weibliche Erfahrungen und Perspektiven thematisiert, kann das Bewusstsein und das Verständnis für diese Themen in der breiteren Gesellschaft stärken.

Künstlerinnen wie Flora Yukhnovich (*1990) oder Cristina BanBan (*1987) brechen aktuell alle Rekorde: ihre Ausstellungen sind ausverkauft; auf Auktionen erzielen sie Preise, weit über den Schätzpreis hinaus und auf Messen sind ihre Werke schon vor Messeaufbau verkauft. Sie sind die Stars einer neuen Generation und - was besondere Beachtung bedarf - sie wurden von weiblichen Galeristinnen entdeckt und gefördert.

Flora Yukhnovich  (1990 I UK I Ultra Contemporary Painting)

Cristina BanBan  (1987 I Spain I Ultra Contemporary Painting)

III. When the Hype is over - NFT´s & Video Art

In den letzten Jahren haben NFTs (Non-Fungible Tokens) und Videokunst auf der Art Basel und anderen Kunstmessen rapide an Bedeutung verloren. Der anfängliche Hype um NFTs führte zu einer Flut von digitalen Kunstwerken,  doch dieser Enthusiasmus flaute schnell ab. Viele Sammler*innen und Investor*innen begannen, die langfristige Wertbeständigkeit von NFTs zu hinterfragen, da der Markt von einer Vielzahl weniger hochwertiger Werke überschwemmt wurde. Die starken Marktschwankungen und spekulativen Elemente rund um NFTs führten zu extremen Preisschwankungen, was diese für traditionelle Kunstsammler*innen weniger attraktiv machte. Darüber hinaus stellen technologische und rechtliche Herausforderungen – wie Fragen zur langfristigen Speicherung, Urheberschaft und den rechtlichen Rahmenbedingungen – weitere Hindernisse dar.

Videokunst wiederum erfordert spezielle Präsentationsbedingungen und technische Ausrüstung, was auf einer Messe wie der Art Basel logistisch herausfordernd sein kann. Die Langzeitarchivierung von Videokunstwerken ist ebenfalls kompliziert, da sie anfällig für technische Veralterung sind. Zudem steht Videokunst in Konkurrenz zu etablierteren Medien wie Malerei und Skulptur, die für Sammler*innen oft attraktiver sind, da sie einfacher zu präsentieren und zu pflegen sind. Der Kunstmarkt zeigt eine deutliche Präferenz für physische Werke, die einfacher zu handeln und zu zeigen sind, was Videokunst im Vergleich weniger attraktiv macht.

Während NFTs auf der Art Basel an Bedeutung verloren haben, haben sie sich auf digitalen Plattformen wie OpenSea, Rarible und Foundation etabliert, die speziell für den Handel mit digitalen Kunstwerken entwickelt wurden. Diese Plattformen bieten eine auf die Bedürfnisse des NFT-Marktes zugeschnittene Umgebung, einschließlich Unterstützung für Kryptowährungen und Blockchain-Technologie. Es gibt zudem eine wachsende Anzahl von Online-Communities und sozialen Netzwerken, die sich auf Kryptowährung und digitale Kunst konzentrieren und den Austausch und Handel von NFTs fördern. Spezialisierte Events und Messen wie die Decentralized Art Fair (DAF) oder NFT.NYC bieten eine fokussierte Plattform für Künstler*innen und Sammler*innen im Bereich digitaler Kunst.

Während Videokunst aufgrund von Präsentations- und Erhaltungsproblemen an Bedeutung verloren hat, haben sich NFTs einen eigenen Markt abseits des traditionellen Kunstmarktes geschaffen. Digitale Plattformen, spezialisierte Communitys und Events bieten für NFTs die passende Umgebung, die ihnen erlaubt, unabhängig von der traditionellen Kunstwelt zu existieren und zu wachsen.

Nathaniel Mary Quinn (1977 I USA I Contemporary Portrait)

IV. African Art etabliert sich

Der Kunstmarkt ist immer auch ein Spiegel der Themen, die eine Gesellschaft beschäftigen und so hat die Black Lives Matter (BLM)-Bewegung und die Aufarbeitung von kolonialem Machtgefälle erheblich dazu beigetragen, die Präsenz und den Erfolg afrikanischer Künstler*innen auf der Art Basel zu fördern.
Durch die verstärkte Sensibilisierung für Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und die marginalisierte Position von Schwarzen in verschiedenen Gesellschaften weltweit ist das Bewusstsein für Kunst, die sich mit diesen Themen auseinandersetzt, gewachsen. Afrikanische Künstler*innen, die oft Werke schaffen, die die schwarze Erfahrung, Identität und soziale Probleme thematisieren, haben dadurch mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten. Zudem hat die BLM-Bewegung Institutionen wie Museen, Galerien und Kunstmessen dazu gedrängt, ihre Programme diverser und inklusiver zu gestalten. Dies führte dazu, dass mehr afrikanische Künstler*innen eingeladen wurden, an Ausstellungen teilzunehmen und ihre Werke auf bedeutenden Plattformen wie der Art Basel zu präsentieren. Kurator*innen und Organisator*innen setzen sich verstärkt dafür ein, Künstler*innen aus unterrepräsentierten Gruppen zu fördern und eine vielfältigere Kunstlandschaft zu schaffen.
Die Bewegung hat den interkulturellen Dialog gefördert und das Verständnis für die komplexen historischen und kulturellen Kontexte afrikanischer Kunst erweitert. Durch Diskussionen und Bildungsprogramme, die im Zuge der Bewegung entstanden sind, wird die Bedeutung und Tiefe der Werke afrikanischer Künstler*innen besser verstanden und wertgeschätzt, was dazu beiträgt, Vorurteile und Missverständnisse abzubauen und die künstlerischen Leistungen dieser Künstler*innen zu feiern.

Die Zahl der afrikanischen und afrikanisch-stämmigen Galerien, die auf der Art Basel ausstellen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Galerien wie Goodman Gallery (Südafrika), Galerie Cécile Fakhoury (Elfenbeinküste) und Afriart Gallery (Uganda) spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung afrikanischer Künstler*innen auf internationalen Plattformen. Diese Galerien tragen dazu bei, die Sichtbarkeit und Anerkennung afrikanischer Kunst auf dem globalen Markt zu erhöhen und tragen ein großen Teil dazu bei, dass Künstler wie Nathaniel Mary Quinn (*1977) in das Programm von Gagosian aufgenommen wurden, was für einen lebenden Künstler ein großartiger Erfolg ist.


Wie geht es weiter?

In unserem nächsten Kunstmarkt Update analysieren wir die aktuellen Herausforderungen des Marktes und setzten uns kritisch mit dessen Strukturen auseinander.

I. Nach der immensen Cyberattacke auf das Auktionshaus Christie´s, bei der Daten vieler Kund*innen geleakt wurden, ist die Verunsicherung groß. Was bedeutet das für den Sekundärmarkt und die Sicherheit der Kund*innen?

II. #MeToo erreicht den Kunstmarkt - Machtmissbrauch im Kunstgeschehen gab es immer, doch erstmals zeigen sich spürbare Konsequenzen. Künstler*innen verlassen Galerien und wenden sich nach Vorwürfen ab. Wann bricht das Vertrauensverhältnis zwischen Galerist*in und Künstler*in?

III. Basel, Miami, Los Angeles, Seoul, Hongkong...wieviele Kunstmessen braucht es wirklich? Vor welche Herausforderungen und Erwartungshaltungen werden Künstler*innen hier gestellt? Und wie rechtfertigt sich ein solcher Kunstbetrieb in Zeiten der Klimakrise?

Zurück
Zurück

Weiter
Weiter